Roman Leykam | Frank Mark
»Seed of the Essential«
CD-Album mit 40-seitigem Booklet
meditativ + ambient + experimentell
www.frank-mark-arts.com

Interview von Rainer Guérich mit Roman Leykam
- Musikmagazin inMusic -
Mai 2000



INMUSIC: Die Aufnahmen zu "Seed of the Essential" sind im Zeitraum von drei Jahren (1997-2000) entstanden. Wie kann ich mir die Entstehung der einzelnen Tracks vorstellen? Hattet ihr zuerst die entsprechenden Aphorismen/persönlichen Gedanken, die ihr dann in meditative, ambiente Klanglandschaften transportiert habt?
ROMAN: Richtig, bei "Seed of the Essential" konnte ich bereits auf von mir geschriebene Aphorismen zurückgreifen, die bei diesem Projekt die Grundlagen bilden sollten. Das Niederschreiben von persönlichen Gedanken - übrigens ohne jede nachträgliche Veränderung, also alles 'First Shots' - praktiziere ich seit weit über 10 Jahren. Für mich ist das eine Möglichkeit, mich fallen zu lassen bzw. zur inneren Ruhe zu kommen. Aus dieser Sammlung wählte ich dann die Texte für das Seedbuch aus - spontan und gefühlsmäßg. Die Verknüpfung der Aphorismen mit eigenen Fotos und Musik erschien mir sehr reizvoll, zumal auch die Fotos zum Teil in der Zeit entstanden sind, in der ich meine Gedanken niederschrieb. Es ist interessant, wie intuitiv die einzelnen Artworks des Booklets dann gestaltet wurden - eine Art Zeitpuzzle, Tagebuch, Zurückversetzen in die damalige Situation. Aufgrund dieser 'wiedererzeugten Stimmungen' entstanden die meisten Tracks dieser CD. Wie immer kam Frank Mark (samples, synths, fretless bass) mir/unserer Improvisationsfähigkeit und Spontaneität zu Gute.



INMUSIC: Sollen die Bilder des CD-Booklets die Phantasie des Hörers beflügeln, ihn vielleicht einen imaginären Film zu eurem ambienten Soundtrack träumen lassen?
ROMAN: Vor der eigentlichen grafischen Gestaltung des Booklets legte ich fest, welche Fotos und Aphorismen zusammenpassen könnten. In Zusammenarbeit mit unserem Grafikdesigner und Freund Frank Meyer kreierten wir dann die einzelnen Artworks. "Seed of the Essential" stellt für mich letztendlich eine Verbindung von persönlichen Geanken, visuellen Eindrücken und assoziativer Musik dar. Natürlich würde es uns freuen, wenn der Hörer seinerseits durch die Dreierkonstellation seine eigene Phantasiewelt inspirieren könnte. Übrigens sind die einzelnen Artworks des Seedbuches auch als limitierte Kunstdruckversion* ohne Texte erhältlich. Am 14.4.2000 wurden diese Arbeiten in Zusammenhang mit unseren CD-Präsentation "Seed of the Essential" im Nürnberger 'Museum' dem Publikum erstmals vorgestellt.

INMUSIC: Wie ist die Arbeitsaufteilung zwischen Frank und dir im Studio?
ROMAN: Grundlage unseres gemeinsamen musikalischen Schaffens ist gegenseitige Achtung und Wertschätzung, Vertrauen und Freundschaft. Frank stellt aus meiner Sicht den idealen Partner und wenn's sein muss, auch Kritiker, dar. Seit unserer dritten CD "extreme colours" sind wir in der glücklichen Lage, unsere Tracks in unseren eigenen Heimstudios zeitunabhängig und ohne jeden Druck von außen produzieren zu können. Daraus resultierend ist es uns möglich, spontan und improvisativ bzw. auch kompositorisch strukturiert zu arbeiten. Meist ist es so, dass ich bei einer Studiosession schon 'gefühls- und stimmungsbedingt' den Endsound im Kopf habe. Auf der 'Seed-Produktion' war es so, dass ich die meisten 'Groundloops' vorlegte und Frank, falls nötig, die einzelnen Tracks ergänzte. Diesen 'Ping-Pong-Effekt' zwischen uns beiden empfinde ich als sehr interessant und kreativ. Auf der anderen Seite improvisieren wir desöfteren zusammen im Studio und schneiden alles live mit (z.B. "Talking Hands" auf "Seed..").

INMUSIC: Du experimentierst auf der Platte äußerst gerne mit den Sounds deiner Gitarre, erzeugst schwebende Lines. Woher rührt diese Vorliebe?
ROMAN: Die Gitarre ist für mich der Ausgangspunkt für die Erzeugung jeglicher Sounds. Einige meiner Gitarren sind midifiziert, d.h. ich steuere damit Soundmodule, Gitarrensynthesizer, Sampler und verschiedene Effektgeräte an. Im Laufe der Zeit habe ich mir ein eigenes System entwickelt, mit dessen Einsatzmöglichkeiten ich sowohl im Studio- als auch im Livebetrieb sehr zufrieden bin. Mein Set-up ermöglicht mir den traditionellen Einsatz von Gitarren bis hin zu unkonventionellen, extremen Behandlungen des Instruments, wobei ich großen Wert auf die Feststellung lege, dass die meisten meiner Sounds und Samples 'handgemacht' sind. Entscheidend für unsere Werke ist jedoch nicht die Gitarre oder der Synthesizer, sondern das Gesamtklangbild. In unseren Stücken ist sehr oft nicht auszumachen, welchen Ursprung die einzelnen Klänge haben - es lohnt sich ein Blick ins Tracklisting des Booklets.

INMUSIC: Wie würdet ihr euren Sound selbst bezeichnen?
ROMAN: Ich selbst mache mir über die herkömmlichen Genrebezeichnungen kaum Gedanken, da ich auf das aktuelle Musikgeschehen keine Rücksicht nehme und musikalisch einfach nur das umsetze, wonach mir gerade ist. Vielleicht könnte man von anspruchsvoller Ambient-Musik mit zum Teil experimentellem Touch sprechen, die dem Hörer Interesse und Offenheit abverlangt.

INMUSIC: Welche Musik hört ihr privat?
ROMAN: Seit meiner Jugend interessiere ich mich für das Musikgeschehen im Allgemeinen, wobei mich z.B. in den Endsiebzigern Bands wie Japan und Police beeinflusst haben. Auch die einzelnen Solowerke der Japan-Musiker, also David Sylvian, Jansen/Barbieri, Mick Karn und Rain Tree Crow fand ich sehr interessant, auch die Sylvian/Fripp-Werke der Neuzeit finde ich sehr gut. Als ich zum ersten Mal "Tin Drum" von Japan hörte, empfand ich für mich selbst ein völlig neues, intensives Hörerlebnis; es war wie eine Art geistige Soundverwandschaft zu diesen Künstlern, allen voran Sylvian. Seit dieser Zeit öffne ich mich mehr und mehr der rein instrumentalen Musik und lernte Musik von Brian Eno, Andy Summers, Robert Fripp, Harold Budd und David Torn kennen und zu schätzen. Desweiteren haben mich auch Bands wie Led Zeppelin, Fixx, King Crimson und The Church mitgeprägt - grundsätzlich interessieren mich immer Musiker, die nach neuen Wegen in ihren Ausdrucksmöglichkeiten suchen. Als Gitarrist gefallen mir natürlich auch einige Rockgitarristen wie Steve Stevens und Andy Taylor, deren Arbeit ich in diesem Genre toll finde.



INMUSIC: Für was steht der CD-Titel "Seed of the Essential"?
ROMAN: Wörtlich übersetzt ins Deutsche bedeutet "Seed of the Essential" soviel wie "Saat des Wesentlichen". Für mich persönlich auch immer wieder ein Leit- und Motivationsspruch, sich auf die wesentlichen Dinge im Leben zu besinnen, diese aus Sicht eines jeden einzelnen zu ergründen und sich mit den inneren Werten eines Menschen auseinanderzusetzen. Wesentlich in diesem Zusammenhang erscheint mir auch die Erkenntnis des sich selber Kennenlernens und der eigenen Bewusstseinsbildung auch gegenüber der Außenwelt.

INMUSIC: Habt ihr schon Ideen für euer nächstes Album?
ROMAN: Normalerweise habe ich schon während der Endphase eines laufenden Projekts neue Vorstellungen eines eventuellen zukünftigen Werkes im Kopf. Dieses positive, motivierende Gefühl hinsichtlich eines neuen künstlerischen Ziels ist für mein eigenes Leben und Seelenheil sehr prägend. Derzeit durchlebe ich musikalisch eine Art Welt der Gegensätze, vergleichbar mit den Assoziationen schwarz/weiss, A-Z, introvertiert/extrovertiert, laut/leise usw. Anders ausgedrückt: Ich erkunde gerade meine künstlerisch/musikalische Spannbreite, immer beeinflusst von den vielen Dingen, die auf mich einwirken. Es könnte also sein, dass ich dieses Thema in Zukunft weiterführen werde - in der Hoffnung, Frank dafür "begeistern" zu können bzw. seine Unterstützung zu bekommen ... (Rainer Guérich/INMUSIC im April/Mai 2000)


* Nachtrag: die limitierten Kunstdrucke wurden auf Ausstellungen in 2000/2001 angeboten, sind inzwischen vergriffen und nicht mehr erhältlich. (Frank Mark / Juli 2010)