Birke/Leykam/Panasenko
Act on Impulse
CD-Album in Jewel Case


Report und Interview mit Roman Leykam, Martin Birke, Daniel Panasenko
- Orkus Musikmagazin -
Thomas Sonder
Juli/August 2002



Es bedarf schon einer Menge Innovation, um aus dem unüberschaubaren und unendlichen Wust des Ambient-Pools hervorzustechen, und es fällt nicht leicht, eine Formation oder ein Gefüge herauszufischen und selbiges vorzustellen. Ein Projekt, das eine Platte produziert, die selbst innerhalb der vielfältigen Szenerie der freischaffenden Musikkunst herausragt, verdankt sich dem Aufeinandertreffen dreier (beziehungsweise vierer) Musiker, die mit ihren "eigentlichen" Bands bereits einen ordentlichen Status zu erreichen vermochten. Roman Leykam und Frank Mark (Leykam/Mark, Deutschland), Daniel Panasenko (Sandbox Trio, San Francisco) und Martin Birke (Casualty Park, Idaho) sind allesamt experimentierende Klang- und Musikfetischisten, die Improvisationen bei der Tonerzeugung, Handgemachtes wie auch Home-Sessions zu ihren obersten Idealen zählen. Alle vier sind seit mehreren Jahren aktiv und kennen sich, da man sich beim gleichen Label zusmmengefunden hat, auch dementsprechend lange.

Act on Impulse spielt sich sowohl im Elektronisch-Spährischen als auch in der Natur ab - die Gabe, diese Elemente so fließend zu vereinen, bezeichnet Daniel als "Instinkt", den Martin unter Verweis auf die jahrelange Kooperation mit Daniel erklärt. Roman hingegen wird technischer: "Wenn ich meine Gitarren-Tracks und Synths beitrage oder vorgebe, dann meist als single shot; die Sequenzen bleiben uneditiert und werden lediglich beim Mastern in Lautstärke und gelegentlich Dynamik angepasst, was in unseren CD-Booklets als recorded without pre-rehearsals vermerkt ist." Und wie soll man Songtitel wie Mudra, Lurid oder Rime verstehen? "Bis auf The Last Fly of the Clay Pigeon (von Frank) und Two Sticks (von Daniel) habe ich die Titel vorgeschlagen und gemeinsam mit Frank ausgesucht. Mudra zum Beispiel ist eine magisch-symbolische Handstellung in den buddhistisch/hinduistischen Kulturen, an die ich beim Anhören des Stückes denken musste. Die Wortbedeutung von Lurid - gespenstisch und Rime - Raureif deuten bereits an, nach welchen Auswahlkriterien die Namen der meisten Stücke gefunden werden."

Doch für Daniel beispielsweise gestaltet es sich als schwierig, Instrumentalsongs mit Namen zu versehen, denn "die Liedtitel sind sehr wichtig. Sie helfen dabei, ein Gefühl oder eine Stimmung hervorzurufen. Ich mache es so: ich höre mir ein Stück an und versuche, es in ein Bild umzuwandeln, welchem ich dann einen Namen gebe." Roman seinerseits bereitet die Titelsuche Spaß: "Bei uns herrscht meist die Qual der Wahl. Überwiegend entstehen die Namen aus Assoziationen zur Atmosphäre der jeweiligen Stücke heraus. Bizarre, aufwühlende, spannende, ruhige, melancholische etc. Tracks bekommen entsprechende Namen. Es kann durchaus passieren, dass in der Rohfassung einer Komposition bereits ein Titel vergeben, später aber wieder abgeändert wird, da die Stimmung nach allen Overdubs nicht mehr dazu passt."

Die Songs auf Act on Impulse bewegen sich nicht nur im Ambient-Bereich, sondern finden durchaus hier und da kleine Rhythmen, was unter anderem daraus resultiert, dass hier musikalisch unterschiedlich inspirierte Künstler am Werk waren. "Wir drei sind eigenwillige, stilistisch verschiedene Musiker, Individualisten, die als gemeinsame Schnittmenge den Hang zum Ungewöhnlichen haben. Von dieser Basis ausgehend gibt einer von uns die Grundfarbe der Songs vor, die anderen gehen auf diesen Aufbau ein, So entsteht entweder ein rhythmisch betonter Track (Martin) oder ein ruhigeres, bizarres Ambient-Stück (in meinem Fall)", zieht Roman eine Bilanz des Schaffens.

Und gibt es denn einen irrealen Kern des Realen, eine Art ungreifbaren Elementarbestandteil von allem? Daniel: "In Bezug auf Musik vesuche ich, mich auf meinen Instinkt zu verlassen und selbigen zu intensivieren. Es ist für mich wichtig, meine Gedanken und die Logik auszuschalten, damit ich mein Handeln, das Improvisierende, Kreative auf meine inneren Antriebe konzentrieren kann", und Martin: "Irreal? Nein, für mich hat alles etwas im Wesentlichen Erreichbares!"